14. Das grosse Haus

Bereits am Ende der vierten Lektion haben wir darauf hingewiesen, dass schon in den Tagen der Apostel in der Person Simons des Zauberers ein blosser Bekenner ohne Leben aus Gott dem Haus Gottes hinzugefügt worden ist (Apostelgeschichte 8,18-25). Spätestens seit jenem Augenblick ist das Haus Gottes dem Umfang nach grösser als der Leib Christi; die Kirche ist zu einem «grossen Haus» geworden (2. Timotheus 2,20).

In diesem Haus befinden sich alle, die dem Bekenntnis nach Christen sind. Das sind die Gefässe, die hier nach zwei Merkmalen unterschieden werden, einmal nach dem Material, zum anderen nach der Brauchbarkeit. Ähnlich wie in 1. Korinther 3 werden hier die edlen, beständigen Materialien den unedlen, vergänglichen gegenübergestellt. Gold ist im Allgemeinen in der Schrift ein Bild von göttlicher Herrlichkeit und Gerechtigkeit. Silber spricht vom Preis, der für die Erlösung bezahlt wurde. Die goldenen und silbernen Gefässe weisen daher auf die wahren Gläubigen hin. Demgegenüber stellen die hölzernen und irdenen Gefässe Ungläubige dar. Eigentlich gehören in das Haus Gottes nur goldene und silberne Gefässe. Die Tatsache, dass hier hölzerne und irdene Gefässe erwähnt werden, ist ein Beweis des Verfalls, von dem der zweite Timotheus-Brief handelt. Neben dieser Einteilung nach dem Material finden wir eine solche nach der Brauchbarkeit der Gefässe: «Die einen zur Ehre, die anderen zur Unehre». Ein hölzernes oder irdenes Gefäss (ein Namenchrist ohne Leben aus Gott) ist von seinem Ursprung her bereits ein Gefäss zur Unehre, aber auch ein verunreinigtes goldenes oder silbernes Gefäss (zum Beispiel ein Gläubiger, der durch ein Leben in der Sünde oder schlechte Verbindungen verunreinigt ist).

Die Frage, wie sich der einzelne Gläubige in diesem grossen Haus zu verhalten hat, wird uns in dieser Lektion vor allem beschäftigen.

Wie konnte es dazu kommen, dass das in seinen Anfängen so gut gebaute Haus eine solch ungute Entwicklung nehmen konnte? Der Herr hat das in den Gleichnissen vom Reich der Himmel in Matthäus 13 bereits vorausgesagt.

1. Das Gleichnis vom Unkraut

«Das Reich der Himmel ist einem Menschen gleich geworden, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während aber die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut mitten unter den Weizen und ging weg. Als aber die Saat aufsprosste und Frucht brachte, da erschien auch das Unkraut» (Matthäus 13,24-26).

Dieses Gleichnis spricht von der Vermengung von Gläubigen und Ungläubigen in der Christenheit, die bereits in den Tagen der Apostel angefangen und heute so verderbliche Formen angenommen hat. Anstatt darüber zu wachen, dass das Wort in seiner Reinheit, so wie der Herr und die Apostel es gelehrt hatten, festgehalten und verkündigt wurde, duldete man, dass sich mit falschen Lehren solche einschlichen, die kein Leben hatten, vergleichbar mit dem Unkraut. Diese sind in der Christenheit heute sogar in der Mehrzahl.

2. Das Gleichnis vom Senfkorn

«Das Reich der Himmel ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das zwar kleiner ist als alle Samenkörner, aber wenn es gewachsen ist, so ist es grösser als die Kräuter und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und sich niederlassen in seinen Zweigen» (Matthäus 13,31.32).

Das Christentum trat ursprünglich als etwas Kleines, nicht sehr Bedeutendes in Erscheinung, vergleichbar mit einem Senfkorn. Dieses Senfkorn aber wuchs und entwickelte sich zu einem Baum. Anstatt im Bewusstsein ihrer Schwachheit und Abhängigkeit von Gott zu verharren, wie die Versammlung oder Gemeinde im Anfang, ist die Christenheit auf der Erde eine Macht geworden. Die irdische Macht wird im Wort Gottes oft durch einen Baum dargestellt. (Vergleiche Hesekiel 17,23.24; 31,3-9; Daniel 4,7-9.) Statt selbst bei Gott Schutz zu suchen, gewährte sie allerhand zweifelhaften Elementen Unterschlupf; selbst weltliche Machthaber fanden bei ihr Schutz und Schirm, ja wurden sogar von ihr beherrscht.

3. Das Gleichnis vom Sauerteig

«Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Mass Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war» (Matthäus 13,33).

Hier wird uns eine besondere Art des Bösen dargestellt. Den Sauerteig finden wir hier als ein Bild der falschen und bösen Lehren, die von Anfang an ins Christentum eingedrungen sind und es jetzt ganz durchsetzen. Sie verderben die göttliche Unterweisung des Wortes derart, dass aus dem Christentum eine Religion geworden ist, die es dem Menschen gestattet, nach dem eigenen Willen zu leben, ohne dabei durch die Wahrheit beunruhigt oder verurteilt zu werden.

Diese drei Gleichnisse symbolisieren drei Merkmale, die einer verdorbenen Christenheit das Gepräge geben:

  1. Vermengung von Gläubigen und Ungläubigen
  2. Streben nach Grösse und irdischer Macht
  3. Falsche und böse Lehren, die mit ihrer verderblichen Wirkung alles durchdringen

Auch die Apostel hatten den Niedergang und Verfall im Christentum vorausgesagt. Paulus hatte zu den Ältesten von Ephesus davon gesprochen, dass «reissende Wölfe» kommen und die Herde nicht schonen würden. Aus ihrer Mitte selbst würden Männer aufstehen und «verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her» (Apostelgeschichte 20,29.30). Viele Briefe, wie der zweite an Timotheus, der zweite des Petrus, die des Johannes und Judas, malen uns dieses Übel vor Augen, das immer grösser werden sollte. Und die Briefe an die sieben Versammlungen in Offenbarung 2 und 3 zeigen uns, wie die Kirche, nachdem sie «die erste Liebe verlassen» hatte, sich immer mehr vom Herrn entfernte, um schliesslich auf den Stand von Laodizea zu kommen, wo der Herr draussen steht (Offenbarung 3,20).

4. Der Weg nach den Gedanken Gottes

Angesichts dieses allgemeinen Verfalls in der Christenheit steht jeder treue Gläubige, der das Wort Gottes ernst nimmt und gewillt ist, sich dem Willen des Herrn unterzuordnen, vor der ernsten Frage: Wie habe ich mich in dieser Christenheit, die ein «grosses Haus» geworden ist, zu verhalten?

Eine grosse Hilfe für den, der vor dieser Frage steht, ist die Stelle im zweiten Brief des Apostels Paulus an Timotheus, Kapitel 2, Verse 19-22. In diesem Brief, aus dem Gefängnis in Rom kurz vor seinem Märtyrertod geschrieben, konnte er nicht mehr vom Haus Gottes als der Versammlung des lebendigen Gottes schreiben wie in 1. Timotheus 3,15. Der Niedergang war unterdessen schon so weit fortgeschritten, dass er von einem «grossen Haus» sprechen musste, in dem sich nicht nur «Gefässe zur Ehre», sondern auch solche «zur Unehre» befanden (2. Timotheus 2,20). Dieser zweite Brief befasst sich weitgehend mit der persönlichen Verantwortung, die der einzelne Gläubige in Bezug auf die Versammlung in einer Zeit des allgemeinen Niedergangs und Verfalls hat. Er enthält gerade für unsere schwere Zeit, in der auf geistlichem Gebiet eine grosse Verwirrung herrscht, grosse Ermunterung für jedes aufrichtige gläubige Herz, für alle, die ihrem Herrn und Heiland in Treue folgen wollen.

Bevor wir den oben genannten Schriftabschnitt 2. Timotheus 2,19-22 näher betrachten, empfiehlt es sich, das ganze 2. Kapitel einmal aufmerksam durchzulesen. Es ist immer von Vorteil, wenn man eine Schriftstelle im richtigen Zusammenhang betrachtet.

«Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die, die sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Un­ge­rech­tig­keit!» (2. Timotheus 2,19).

In den beiden vorangehenden Versen macht der Apostel Paulus eine Mitteilung über die beiden Irrlehrer Hymenäus und Philetus. Das erschütterte und verunsicherte offensichtlich Timotheus. Weil diese sich als Irrlehrer entpuppten und andere mitrissen, bestand die Gefahr, dass vieles ins Wanken geriet und Verwirrung entstand. Auf wen konnte sich da Timotheus noch verlassen? Auf diese Frage gibt Paulus seinem Mitarbeiter eine klare Antwort. Er weist ihn hin auf die eine feste, unerschütterliche Grundlage, die er «den festen Grund Gottes» nennt. Wir haben hier einen allgemeinen Begriff. Es geht da nicht bloss um gewisse Lehrpunkte. Wir müssen uns hüten, diesen Ausdruck durch nähere Umschreibungen in seiner Bedeutung einzuschränken. Es soll durch diesen ganz allgemein auf das hingewiesen werden, was mitten im Verfall feststeht.

Wie echte Fundamente oft eine Inschrift oder ein Zeichen tragen, so hat dieses geistliche Fundament ein Siegel. Dieses Siegel weist zwei Seiten auf:

  1. Die Gott zugekehrte Seite: «Der Herr kennt, die sein sind»
  2. Die uns zugewandte Seite: «Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!»

Zu a): Letztlich kennt nur Gott die Ihm zugekehrte Seite dieses Siegels: «Der Herr kennt, die sein sind». Eigentlich sollte es nicht so sein, sondern auch der Gläubige sollte diese Kenntnis besitzen, und zwar sowohl auf sich selbst bezogen wie auch im Hinblick auf andere. Dieses Wort zeigt uns, dass schon in jenen Tagen der Verfall und die Verwirrung in der Christenheit eingesetzt hatten. Jedoch finden wir darin für uns auch einen Trost. Es ist nicht immer leicht, die wahren Gläubigen von denen zu unterscheiden, die nur «eine Form der Gottseligkeit haben» (2. Timotheus 3,5); aber «der Herr kennt, die sein sind.»

Zu b): Die andere Seite des Siegels ist uns zugekehrt. Sie zeigt uns unsere persönliche Verantwortung. Es ist beachtenswert, dass der Apostel hier, inspiriert durch den Heiligen Geist, nicht den Namen «Jesus» oder «Christus» anführt, sondern vom «Herrn» spricht. Wer Jesus als seinen «Herrn» bekennt, muss dies auch in seinem Leben zum Ausdruck bringen, und zwar dadurch, dass er «absteht von der Ungerechtigkeit». Unter «Ungerechtigkeit» müssen wir alles verstehen, was im Widerspruch zu Gott, seinem Wesen und Willen steht, sei es auf moralischem oder religiösem Gebiet. Demgegenüber bedeutet «Gerechtigkeit» einen Wandel in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Ungerechtigkeit umfasst sowohl sittlich Böses wie auch falsche und böse Lehre, aber ebenfalls eigenwillige religiöse Einrichtungen.

«In einem grossen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefässe, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die anderen aber zur Unehre» (2. Timotheus 2,20).

Dieses «grosse Haus» umfasst alle Menschen, die dem Bekenntnis nach Christen sind, ganz gleich ob es sich um von neuem geborene Christen oder blosse Namenchristen handelt. In diesem Haus befinden sich «Gefässe», die nach zwei verschiedenen Kriterien voneinander unterschieden werden:

  1. Nach dem Material, aus dem sie gebildet sind
  2. Nach dem Gebrauch

Zu a): Wir haben bereits auf der ersten Seite dieser Lektion festgestellt, dass es sich bei den goldenen und silbernen Gefässen um wahre Gläubige handelt, um solche, die Leben aus Gott haben. Demgegenüber stellen die hölzernen und irdenen Gefässe Ungläubige dar, solche, die kein Leben aus Gott haben.

Zu b): Die zweite Einteilung beruht auf dem Gebrauch der Gefässe. «Die einen zur Ehre, die anderen zur Unehre». Es dürfte uns wohl allen einleuchten, dass ein blosser Bekenner ohne Leben aus Gott schon seinem Ursprung nach kein «Gefäss zur Ehre» sein kann. Ebenfalls dürfte es uns klar sein, dass ein Gläubiger, der mit Sünde verunreinigt ist oder schlechte Verbindungen pflegt, ebenfalls kein «Gefäss zur Ehre» sein kann, da er den Herrn massiv verunehrt. Wie könnte, bildlich gesprochen, ein goldenes Gefäss, das schmutzig zwischen den Abfalleimern steht, zur Ehre gereichen?

«Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäss zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet» (2. Timotheus 2,21).

Aus dieser Stelle geht eindeutig hervor, dass es, um ein «Gefäss zur Ehre zu sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet», nicht nur notwendig ist, sich von der Ungerechtigkeit als solcher zu trennen, sondern auch von Personen, die mit Bösem verbunden sind, von Gefässen zur Unehre. Wer ein «Gefäss zur Ehre» sein will, muss sich also von solchen «reinigen» oder wegreinigen. Der griechische Ausdruck, der hier mit «reinigen» wiedergegeben wird kommt ebenfalls in 1. Korinther 5,7 vor, wo er mit «ausfegen» übersetzt wird. Dort wird die Versammlung in Korinth aufgefordert, den alten Sauerteig «auszufegen». War die Versammlung in einem normalen Zustand, und es wurde ein Böser in ihrer Mitte gefunden, so wurde sie angewiesen, den Bösen aus ihrer Mitte «hinauszutun». Hier aber sieht der Apostel eine Zeit voraus, in der der Zustand der bekennenden Masse so tief wird, dass die Kraft fehlt, den Bösen hinauszutun. In solch einem Fall werden die Gottesfürchtigen aufgefordert, sich von den Gefässen zur Unehre zu trennen.

Es geht also hier nicht um Versammlungs- oder Gemeindezucht. Bei der Ausübung von Zucht wird der «Böse» – in unserem Fall das «Gefäss zur Unehre» – von der Versammlung hinausgetan. Davon kann in den Timotheus-Briefen nicht die Rede sein, denn diese sind an eine einzelne Person, an Timotheus gerichtet, nicht an eine örtliche Versammlung, wie zum Beispiel die Korintherbriefe. Zucht kann nur von einer örtlichen Versammlung, niemals aber von einer einzelnen Person ausgeübt werden. Es geht hier, um es noch einmal zu betonen, darum, wie sich der einzelne Gläubige innerhalb der Christenheit zu verhalten hat, die zu einem «grossen Haus» geworden ist, in dem so viel Ungutes Platz gefunden hat. Vor allem der zweite Timotheus-Brief befasst sich mit Zuständen, wie wir sie heute in einer Zeit des allgemeinen Verfalls und der Verwirrung auf geistlichem Gebiet antreffen.

«Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen» (2. Timotheus 2,22).

Zur äusseren gesellt sich nun die innere Reinigung, aber auch das positive Ziel der Absonderung. Absonderung nach Gottes Gedanken ist niemals nur ein sich «wegreinigen» oder wegwenden von jemand oder etwas, sondern immer verbunden mit einer aufrichtigen, innigen Hingabe an den Herrn.

Unter den «jugendlichen Begierden» haben wir hier wohl nicht in erster Linie sexuelle Begehrlichkeiten zu verstehen, sondern vielmehr solche Dinge wie Hochmut, Leichtsinn, Ungeduld, Selbstvertrauen, die oftmals die Jugend kennzeichnen. Stattdessen sollte Timotheus den folgenden vier Dingen nachstreben: «Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden». Das Wort «streben» kann auch mit «jagen» übersetzt werden. Es zeigt uns, welche Entschlossenheit, Hingabe und Energie nötig ist, um in einem solchen Verfall den Willen Gottes erfüllen zu können. Die Gerechtigkeit ist hier nicht Gerechtigkeit aus Glauben, die wir zum Beispiel in Römer 3 finden, sondern die praktische Gerechtigkeit. Sie umfasst alles, was dem Willen und Wesen Gottes – besonders im Blick auf sein Haus auf der Erde – entspricht. Sie steht im Gegensatz zur Ungerechtigkeit in Vers 19. Der Glaube steht im Gegensatz zum Vertrauen auf eigene Kraft und auf sichtbare Dinge. Die Liebe ist durch den Heiligen Geist ausgegossen in unsere Herzen. Ihre Kennzeichen, wie wir sie zum Beispiel in 1. Korinther 13 finden, sollten auch uns kennzeichnen. Dem Frieden, der in unserem Leben Wirklichkeit werden sollte, müssen «Frieden mit Gott» (Römer 5,1) und «der Friede Gottes» (Philipper 4,7) im Herzen vorausgehen.

Oft wird behauptet, dieses sich «wegreinigen», die Absonderung, führe zur totalen Isolierung. Doch der 22. Vers sagt uns etwas anderes. Wir sehen hier, dass jeder, der seine persönliche Verantwortung erkennt, sich von der Ungerechtigkeit zu trennen und der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe und dem Frieden nachzujagen, auf einem gemeinsamen Weg mit denen vorangehen soll, «die den Herrn anrufen aus reinem Herzen». Wie kann ich aber wissen, ob jemand den Herrn aus reinem Herzen anruft? Ich kann doch nicht in sein Herz hineinsehen. Greifen wir da noch einmal zurück zu Vers 19: «Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit». Um auf den Herzenszustand eines Menschen schliessen zu können, genügt es nicht, auf sein Bekenntnis abzustellen, sondern wir müssen vor allem sein Verhalten kennen. Wenn jemand dem Kennzeichen von Vers 19 entspricht und die positiven Merkmale von Vers 22 aufweist, dürfen wir davon ausgehen, dass der Betreffende «den Herrn aus reinem Herzen anruft».

Es besteht für einen Gläubigen keine Möglichkeit, das «grosse Haus», die bekennende Christenheit, zu verlassen. Dazu müsste er das christliche Bekenntnis verwerfen und ein bekennender Atheist oder ein Jude oder ein Moslem etc. werden. Vielmehr soll er sich innerhalb dieses «grossen Hauses» nach Gottes Gedanken verhalten. Jeder Gläubige wird persönlich aufgerufen, sich von allem wegzuwenden, das dem heiligen Willen Gottes widerspricht, sei es moralisch oder lehrhaft Böses im eigenen Leben, oder seien es Personen, die mit Bösem verbunden sind. Diese von Gott gegebene Anweisung wird den gottesfürchtigen Gläubigen auch aus jeder menschlichen Kirchen- oder Gemeindeorganisation hinausführen, auch wenn diese keine direkte Irrlehre, aber doch eigenwillige, menschliche Einrichtungen auf dem Gebiet des Gottesdienstes enthält.

5. Ausserhalb des Lagers

«Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, ausserhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, ausserhalb des Lagers, seine Schmach tragend» (Hebräer 13,12.13).

Jesus wurde nicht in der Stadt Jerusalem zu Tode gebracht, auch nicht im Vorhof des Tempels, wo die Juden mehr als einmal Steine gegen Ihn erhoben (Johannes 8,59; 10,31). Es entsprach dem Plan Gottes, dass Er ausserhalb des Tores, fern vom Tempel, ausserhalb des jüdischen Lagers, gekreuzigt wurde und litt und dass Er sich dort als Opfer für die Sünde hingab.

So ist auch der Christ berufen, den Platz anzunehmen, den der Mensch Christus gab, und daher ausserhalb des religiösen Systems zu gehen, das in dieser Schriftstelle das «Lager» genannt wird. Das jüdische Lager bestand aus Menschen, die eine Beziehung zu Gott hatten, und zwar durch Vermittlung einer irdischen Klasse von Priestern, die zwischen dem Volk und Gott standen. Es bestand ein «weltliches» Heiligtum und eine festgelegte Gottesdienstordnung. Das finden wir in Hebräer 9,1-10 kurz zusammengefasst, wo uns ebenfalls mitgeteilt wird, dass es keinen Zugang zu Gott ermöglichte und kein gereinigtes Gewissen geben konnte. Auch musste der, der in diesem System verharrte, keine Schmach tragen.

Die Hebräer, die zum Glauben an den Herrn Jesus gekommen waren, hatten dieses jüdische System zu verlassen. Sie mussten sich auf den christlichen Boden stellen, «zu ihm» (Christus) hin. Wenn einerseits ihr gesegneter Platz im Himmel war, war anderseits ihr Teil auf der Erde die Schmach vonseiten derer, die im Lager verharrten und einer irdischen Religion anhingen. Das ist das Teil Christi. Er ist in den Himmel eingegangen, von Gott angenommen, aber verworfen und verachtet auf der Erde; und dies ist auch das Teil, das der Gläubige auf sich zu nehmen hat. «Lasst uns zu ihm hinausgehen, seine Schmach tragend».

Das geht aber nicht nur die hebräischen Gläubigen an, an die der Hebräerbrief gerichtet ist, sondern dem Grundsatz nach alle Gläubigen zu allen Zeiten. Sie sollten sich von den Bindungen an jedes religiöse System lösen, das auf irdisch-menschliche Verordnungen gegründet ist. Tragen die verschiedenen kirchlichen Systeme nicht auch Merkmale des jüdischen Lagers? Leider zwingt uns die Wahrheit zuzugeben, dass sie nach dem Vorbild dieses Lagers errichtet sind. Sie haben ihre «weltlichen», das heisst von Menschenhänden errichteten Heiligtümer, ihre ordinierten Priester und Prediger, ihre festgelegte Liturgie usw. Wohl können wir diese Systeme nicht direkt dem jüdischen System gleichsetzen, aber sie weisen doch verschiedene Merkmale davon auf, so dass die Aufforderung, aus dem «Lager» hinauszugehen, ohne Frage auch für diese christlichen Religionssysteme Gültigkeit hat.

1. Weshalb wird die Kirche oder Versammlung in 2. Timotheus 2,20 ein «grosses Haus» genannt?

2. Was ist das gemeinsame Teil all derer, die sich in diesem Haus befinden?

3. Wen stellen die goldenen und silbernen Gefässe dar?

4. Wen haben wir unter den hölzernen und irdenen Gefässen zu verstehen?

5. Wir haben festgestellt, dass ein Ungläubiger schon von seinem Ursprung her ein «Gefäss zur Unehre» ist. Ist es möglich, dass auch ein Gläubiger, ein von neuem geborener Christ, zu einem Gefäss zur Unehre wird? Wann ist das der Fall?

6. Wovon spricht das Gleichnis vom Unkraut (Matthäus 13,24-26)?

7. Im Gleichnis vom Senfkorn (Matthäus 13,31.32) entwickelt sich dieses winzige Korn zu einem Baum. Was bedeutet das, angewandt auf das Christentum?

8. War diese Entwicklung gottgewollt?

9. Was stellt das Gleichnis vom Sauerteig (Matthäus 13,33) symbolisch dar?

10. Ist der in den besprochenen drei Gleichnissen vom Herrn vorausgesagte Niedergang und Verfall im christlichen Zeugnis auch anderweitig im Neuen Testament angekündigt?

11. Was ist das Hauptthema des zweiten Timotheus-Briefes?

12. Welche Verse im zweiten Kapitel des oben genannten Briefes sind im Blick auf die Frage, wie sich der einzelne Gläubige in der Zeit des Verfalls persönlich verhalten soll, besonders wichtig?

13. In 2. Timotheus 2,19 lesen wir, dass der «feste Grund Gottes» mit einem Siegel mit zwei Seiten versehen ist. Was beinhalten die beiden Seiten dieses Siegels?

  1. Die Gott zugekehrte Seite: _________________________
  2. Die uns zugewandte Seite: _________________________

14. Warum wird in der uns zugewandten Seite Christus als «Herr» bezeichnet?

15. Was haben wir unter dem Ausdruck «Ungerechtigkeit» alles zu verstehen?

16. Wovon hat sich ein Gläubiger zu reinigen resp. zu trennen, um ein «Gefäss zur Ehre, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu allem guten Werk bereitet» zu sein?

17. An wen richtet sich

  1. 2. Timotheus 2,21? _________________________
  2. 1. Korinther 5? _________________________

18. Was haben wir unter den «jugendlichen Begierden» zu verstehen?

19. Wir haben in Verbindung mit 2. Timotheus 2,22 erwähnt, dass mit der Absonderung ein positives Ziel verbunden ist. Wonach soll der Gläubige streben?

20. Soll er im Alleingang diesen Dingen nachjagen?

21. Soll das sich Wegreinigen in Vers 21 zu einer totalen Isolation führen?

22. Mit wem soll der Gläubige auf einem gemeinsamen Weg vorangehen?

23. Gibt es Anhaltspunkte, die uns eine Hilfe sind, wenn es darum geht, auf den Herzenszustand eines Menschen zu schliessen?

24. Wurde Jesus im Stadtinnern von Jerusalem gekreuzigt?

25. Welchen Platz im Blick auf das «religiöse Lager» soll der Christ auf der Erde einnehmen?

26. Was sind die Merkmale des jüdischen «Lagers»?

27. Nennen Sie einige Parallelen zwischen dem jüdischen Lager und religiösen Institutionen im Christentum.

28. Hat die Aufforderung, das «Lager» zu verlassen, auch im Hinblick auf diese christlichen Institutionen Gültigkeit?

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