Der erste Brief des Johannes zeigt uns das in Jesus Christus offenbarte ewige Leben, das uns gegeben worden ist – das Leben, das bei dem Vater war und in dem Sohn ist.
Dieses Leben, das so, wie es ist, in der Person Jesu kundgetan wurde, ist so kostbar, dass der erste Johannes-Brief in dieser Beziehung für uns einen ganz besonderen Reiz hat. Wenn ich meine Blicke auf Jesus richte und Ihn betrachte, in seinem Gehorsam, seiner Reinheit, seiner Gnade, seiner Sanftmut, seiner Hingabe, seiner Heiligkeit, seiner Liebe, in seiner völligen Selbstlosigkeit, so kann ich sagen: das ist mein Leben.
Welch eine unermessliche Gnade! Es mag sein, dass dieses Leben in mir verdunkelt ist, aber damit ändert nichts daran, dass dies mein Leben ist. Wie gross wird mir diese Tatsache, wenn ich sie so betrachte, und wie sehr kann ich Gott dankbar sein, der es mir gegeben hat! Welche Ruhe für die Seele, welch reine Freude für das Herz!
Zu gleicher Zeit will Jesus selbst der Gegenstand meiner Zuneigungen sein, und dadurch werden alle meine Zuneigungen diesem heiligen Gegenstand entsprechend gebildet. Das ist in sittlicher Hinsicht von grosser Bedeutung; denn dann freue ich mich in Ihm und nicht in mir selbst, ich habe meine Wonne in Ihm.
Das Gesetz verhiess das Leben als Folge des Gehorsams; aber das Leben ist in der Person Jesus zu uns gekommen, das Leben in seiner ganzen göttlichen Vollkommenheit und in menschlicher Offenbarung. Ja, wie kostbar ist die Wahrheit, dass dieses Leben, so wie es bei dem Vater war, so wie es in Jesus war, uns gegeben worden ist! Durch die Kraft des Heiligen Geistes versetzt es uns in Beziehung mit dem Vater und dem Sohn selbst!
Das Leben ist offenbart worden. Wir müssen es also nicht mehr suchen, nicht mehr im Finsteren danach tasten, nicht mehr aufs Geratewohl darüber vernünfteln, um es zu finden, aus der nebelhaften Vorstellung oder der Finsternis unserer eigenen Herzen heraus, und wir müssen nicht mehr unter dem Gesetz mühsam und fruchtlos ringen, um es zu empfangen. Wir sehen das Leben, es ist offenbart, es ist da in Jesus Christus. Wer Christus hat, besitzt dieses Leben.
Da der Sohn dieses Leben ist, so kann man es nicht erkennen, ohne sich bewusst zu werden, wie und was der Sohn ist. Und ohne in seine Gedanken und Gefühle einzugehen, kann Er nicht wirklich erkannt werden. Auf diese Weise haben wir Gemeinschaft mit Ihm, dem Sohn. Kostbare Tatsache! In die Gedanken und Gefühle des Sohnes Gottes einzugehen, der in Gnade auf die Erde gekommen ist, und dies in Gemeinschaft mit Ihm zu tun, mit anderen Worten, diese Gedanken und Gefühle nicht nur zu kennen, sondern sie auch mit Ihm zu teilen – in der Tat, darin besteht das Leben.
Aber man kann den Sohn nicht ohne den Vater haben. Wer den Sohn gesehen hat, hat den Vater gesehen, und folglich, wer Gemeinschaft mit dem Sohn hat, hat auch Gemeinschaft mit dem Vater, denn die Gedanken und die Gefühle des Vaters und des Sohnes sind dieselben. Er ist in dem Vater, und der Vater ist in Ihm. Wir haben also Gemeinschaft mit dem Vater.
Das trifft auch von einem anderen Gesichtspunkt aus zu. Wir wissen, dass der Vater alle seine Wonne in dem Sohn findet. Wenn Er uns also den Sohn offenbart, so hat Er uns ermöglicht, auch unserseits Wonne in Ihm zu finden, so schwach wir auch sind. Wenn ich meine Wonne in Jesus finde – in seinem Gehorsam, in seiner Liebe zu seinem Vater und zu uns, in seinem «einfältigen» Auge und seinem völlig hingebenden Herzen – dann weiss ich: ich habe die gleichen Gedanken und die gleichen Gefühle wie der Vater. Darin, dass der Vater seine Wonne nur in dem findet, in dem auch ich sie jetzt finde, habe ich Gemeinschaft mit dem Vater.
Von diesem oder jenem Standpunkt aus betrachtet hängt also alles von der Person des Sohnes ab. Das macht unsere Freude völlig. Was können wir noch wünschen, wenn wir den Vater und den Sohn haben? Kann es eine noch vollkommenere Glückseligkeit geben als die, die sich in der Übereinstimmung der Gedanken, der Gefühle, des Genusses und der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn findet, indem alle unsere Freude aus Ihnen selbst entspringt?
Wenn es uns schwierig scheint, dies im Glauben zu erfassen, so lasst uns bedenken, dass es in Wahrheit nicht anders sein kann, denn in dem uns geschenkten Leben Christi ist der Heilige Geist die Quelle meiner Gedanken, meiner Gefühle, meiner Gemeinschaft, und Er kann mir unmöglich Gedanken und Gefühle mitteilen, die von denen des Vaters und des Sohnes verschieden sind. Ihrer Natur nach müssen sie dieselben sein. Gewiss, diese göttlich grossen und kostbaren Gedanken sind in mir nur schwach vorhanden und werden so oft gehindert, während sie bei dem Vater und dem Sohn vollkommen sind; denn der Vater und der Sohn sind ja Gott, und wir sind nur schwache Geschöpfe. Niemand denkt daran, dies zu leugnen. Aber wenn der Heilige Geist die Quelle unserer Gedanken ist, so entsprechen sie dem Inhalt und der Natur nach den Gedanken des Vaters und des Sohnes.
Aus «halte fest», Jahrgang 1962, Seite 268