Das Fleisch als die sündige menschliche Natur

Wir kommen nun zu einem Wendepunkt in diesem Kapitel. Wir haben das Wort «Fleisch» in seinem positiven biblischen Gebrauch gesehen: als den Leib, als menschliche Natur und in unseren natürlichen Beziehungen. In diesem Abschnitt wollen wir jene Schriftstellen betrachten, die das Fleisch in einer ganz anderen Weise beschreiben – als den unerbittlichen und unveränderlichen Feind aller Gottesfürchtigen und von Gott selbst. Die folgende Aufzählung von Versen ist nur ein Auszug von vielen, die das Fleisch in dieser Weise schildern:

  • «Denn ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt …» (Römer 7,18).
  • «Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war …» (Römer 8,3).
  • «… die Sünde im Fleisch verurteilte» (Römer 8,3).
  • «Die aber, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen» (Römer 8,8).
  • «Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist» (Römer 8,9).
  • «So denn, Brüder, sind wir Schuldner, nicht dem Fleisch …» (Römer 8,12).
  • «… treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden» (Römer 13,14).
  • «… gebraucht nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch « (Galater 5,13).
  • «Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen» (Galater 5,16).
  • «Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt» (Galater 5,24).
  • «… die Lust des Fleisches … ist nicht von dem Vater» (1. Johannes 2,16).

Wenn wir diese Verse untersuchen, erfahren wir bald einige Schlüsselmerkmale des Fleisches:

  • Es ist weder gut, noch ist es in irgendeiner Weise Gott untertan.
  • Es ist voller Begierden (unrechtmässiger Wünsche).
  • Es reagiert von Natur aus auf das Welt-System Satans.
  • Es hat sein gerechtes Verdammungsurteil empfangen, als Christus starb.
  • Es hat keinen rechtmässigen Anspruch auf solche, die zu Christus gehören.

Diese Merkmale sind in einigen kurzen Beschreibungen des Fleisches treffend zusammengefasst, die wir den Schriften zuverlässiger Ausleger des Wortes Gottes entnommen haben:

  • Der Sitz der Sünde im Menschen.
  • Der Wille des Menschen in Auflehnung gegen Gott.
  • Es ist durch und durch selbstsüchtig; es hat nichts, was es Gott geben könnte; seine Gedanken, Hoffnungen und Bestrebungen drehen sich um sich selbst. Alles, was es hat, hat es für sich allein.
  • Es hat sich schon als unverbesserlich erwiesen, unfähig zu irgendeiner Veränderung, Gott völlig entgegengesetzt. Nichts konnte es zustande bringen als die Kreuzigung; keine Vergebung, keine Verbesserung, es muss unter das Verdammungsurteil.
  • Es ist eine Wurzel, die nur Böses hervorbringt, wie man es auch zu verbessern sucht. Es ist einzig Feindschaft gegen Gott.
  • Das Fleisch ist in keinerlei Hinsicht verbesserungsfähig, noch wird es dies jemals sein. Das Fleisch im ältesten und gottesfürchtigsten Christen ist genauso unverbesserlich wie im übelsten Sünder. Alle Anstrengungen, es zu verbessern oder zu läutern, sind vergeblich.

Bevor sich jemand bekehrt, hat er in Bezug auf das Fleisch keine Wahl. Es beherrscht seine Gedanken, sein Streben und seine Handlungen im Widerstand gegen Gott. Aus biblischer Sicht lebt er «nach dem Fleisch», «im Fleisch», und «wandelt nach den Begierden des Fleisches». Deshalb bestätigt das Wort Gottes eindeutig: «Die aber, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen.» Beachte, dass es nicht heisst, dass die, die im Fleisch sind, nicht einander gefallen können oder dass sie sich nicht selbst gefallen können oder dass sie nicht erfreuliche und nützliche Dinge auf einer menschlichen Ebene tun können. Die Stelle sagt allein, dass sie Gott nicht gefallen können.

Dieser unglückliche Zustand trifft ohne Ausnahme auf jeden unbekehrten Menschen zu, ohne Rücksicht auf soziale Stellung, Wohlstand, Erziehung, Temperament und Benehmen. Einige mögen vielleicht aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung gegen so eine harte Beurteilung Einwände erheben. Es ist jedoch Gott, der die gesamte Lebenspraxis jedes einzelnen vollkommen kennt, der diese Beurteilung abgibt. In diesem Licht fangen wir an, die Worte Jesu an einen ehrbaren religiösen Führer namens Nikodemus zu verstehen:

«Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist. Verwundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden» (Johannes 3,6.7).

Aber was ist mit denen, die wahrhaftig von neuem geboren sind – die mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt worden sind? Diese Menschen haben neues Leben in Christus, ein Leben mit neuen Zielen und neuen Interessen. Sie sind durch das Blut des Christus nahe zu Gott gebracht, haben den Geist der Sohnschaft empfangen und kennen Gott jetzt als ihren Vater. In Gottes Familie hineingeboren, erkennen sie andere Glieder als ihre Brüder und Schwestern in Christus. Vor ihren geöffneten Augen entfaltet sich eine ganz neue Perspektive, wenn sie erkennen, dass ihre Sünden vergeben worden sind und dass sie in Christus für ewig sicher sind. Kann es sein, dass solche wahren Christen nach wie vor «im Fleisch» sind?

Das Wort Gottes macht hier einen wesentlichen Unterschied – einen, den wir begreifen müssen, wenn wir die praktische Befreiung von der Macht der Sünde in unserem Leben erfahren wollen. Es ist dies: Als Christen sind wir nicht im Fleisch, sondern das Fleisch ist noch in uns. Beachte sorgfältig die Worte des Textes, der den Unterschied aufzeigt:

«Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt» (Römer 7,17.18).
«Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist» (Römer 8,9).

Hast du verstanden, worum es in der ersten Schriftstelle geht? Es ist die klare Bestätigung durch Paulus, dass die Sünde noch in seinem Fleisch wohnt. Er bestätigt diesen Punkt weiter, wenn er klagt:

«… dass das Böse bei mir vorhanden ist» (Römer 7,21).

Wenn das Fleisch tatsächlich nicht mehr in den Gläubigen wäre, würden die folgenden Ermahnungen unnötig sein:

«… treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden» (Römer 13,14).
«… gebraucht nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch» (Galater 5,13).

Was für eine unglückselige Entdeckung für einen Christen! H.A. Ironside hat den sich daraus ergebenden Widerstreit gut beschrieben:

«Er findet sich selbst ständig im Gegensatz zum innersten Wunsch seiner von Gott eingepflanzten neuen Natur. Er praktiziert Dinge, die er nicht tun will. Er versagt in der Ausführung seiner Bestimmung, Gutes zu tun. Die Sünden, die er begeht, hasst er. Er liebt das Gute, aber er hat nicht die Kraft, es auszuführen. Aber dies bestätigt ihm, dass da etwas in ihm ist, das von seiner wahren Persönlichkeit als Kind Gottes unterschieden werden muss. Er besitzt noch immer die fleischliche Natur, obwohl er aus Gott geboren ist …

Fest davon überzeugt, dass dieser Widerstreit während des ganzen Weges seiner irdischen Existenz andauert, ruft er in Qualen aus: «Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?» Er ist wie ein lebender Mann an einen befleckten, weil faulenden Leichnam gefesselt und unfähig, die Ketten zu zerreissen. Er kann den Leichnam nicht rein und sich unterwürfig machen, egal wie heftig er dies versucht. Es ist der Schrei der Hoffnungslosigkeit, soweit es eigene Anstrengung betrifft. Er ist am Ende menschlicher Fähigkeiten angelangt.»

Jedes Mal, wenn jemand diesen Punkt erreicht, ist es Gottes Freude, die andere Seite unserer wichtigen Unterscheidung hineinzubringen – dass, obwohl das Fleisch noch in uns ist, wir nicht im Fleisch sind. Warum ist dies so wichtig? Weil es bestätigt, dass wir vor Gott in eine völlig neue Stellung gebracht worden sind. Er sieht uns nun als in Christus Jesus und somit jenseits der Verdammung, die dem Fleisch anhaftet. Wir stehen jetzt vor Gott «in Christus» und nicht mehr «im Fleisch».

J.T. Mawson drückt es folgendermassen aus:

«Im Tod Christi sehen wir also die vollständige Beiseitesetzung des Fleisches, weil der Tod sein Ende bedeutete. Obwohl wir nicht wirklich gestorben sind, sind wir in Gottes Augen nicht mehr im Fleisch, und so sollen wir uns auch im Glauben betrachten. Wir stehen vor Gott nicht mehr auf der Grundlage dessen, was wir sind, denn dann bliebe für uns nur das Gericht, sondern stehen vor Ihm in Christus und deshalb in seiner ungetrübten Gunst.»

In seiner Auslegung zu Römer 8 gibt uns William Kelly weitere Hilfen, zu erfassen, was die gewaltige Auswirkung des «Nicht-im-Fleisch-sein» ist:

«Aber hier wird der alte Mensch als gekreuzigt gesehen, und die Gläubigen als mit Christus gestorben und Gott lebend in der Kraft seiner Auferstehung aus den Toten. Kurz gesagt, sie werden in einer ganz und gar neuen Stellung in Christus Jesus gesehen, wo keine Verdammnis ist, noch sein kann. Es ist keine Frage des Grades, sondern eine absolute Tatsache, wahr für alle echten Christen … Es ist eine Frage der Stellung, die ihnen die Gnade in Christus gibt, und nicht eine Frage, in welchem Mass dies in ihren Gefühlen und Wegen verwirklicht wird. In Christus, recht verstanden, sind Fragen des Grades und Zweifels ausgeschlossen.»

«Befreiung geschieht durch Tod – durch den Tod Christi, mit dem wir gestorben sind. Aber in Ihm sind wir lebend für Gott, und der Geist wohnt in uns. Wir können somit ohne Anmassung sagen, dass wir nicht im Fleisch sind. Wir werden nicht als Menschen gesehen, die noch durch den Zustand und die Verantwortung des ersten Menschen charakterisiert sind … Ihr seid nicht im Fleisch. Nichts als dieses ist die angemessene Sprache des Christen.»

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