Das Passah in der Wüste

(4. Mose 9,1-14)

Ein Jahr war verflossen seit jener schrecklichen Nacht, da der Engel des Gerichts durch Ägypten gegangen war und alle Erstgeburt umgebracht hatte. Die Israeliten, geschützt durch das Blut des Lammes, hatten das Land in Eile verlassen und die Erfahrung der Gnade und der Macht des Herrn gemacht. In der Wüste werden sie sich jetzt von neuem an diese Nacht der Befreiung, den Ausgangspunkt ihrer Reise, erinnern. Der Herr selbst gebot dem Volk (Verse 2 und 3), das Passah zu feiern «zu seiner bestimmten Zeit; am 14. Tag in diesem Monat, zwischen den zwei Abenden, nach all seinen Satzungen und nach all seinen Vorschriften.» Nichts war dem Gutdünken des einzelnen überlassen. Man ging nicht daran, die Dinge zu «vereinfachen», weil man sich in der Wüste befand.

Das Passah wird in unserem Kapitel die «Opfergabe des Herrn» genannt (Verse 7 und 13). In Ägypten war es eingesetzt worden; in der Wüste sollte es zum Gedächtnis sein, das das Volk verpflichtete, Gott etwas darzubringen. Das Fest wurde vor allem für Ihn gefeiert. Die Prüfungen der Wüste minderten keineswegs die Freude des Vorrechts, sich daran zu erinnern. Mose hatte deswegen zum Pharao gesagt: «Lass mein Volk ziehen, dass sie mir dienen! … Mit unseren Jungen und mit unseren Alten wollen wir ziehen, mit unseren Söhnen und mit unseren Töchtern, mit unserem Kleinvieh und mit unseren Rindern wollen wir ziehen; denn wir haben ein Fest des Herrn» (2. Mose 10,3.9). Zum ersten Mal standen sie im Begriff, es zu erfüllen. Jahrhunderte später wird unter Esra (6,19-22) der Beachtung der Vorschriften des Herrn, sich zu reinigen, sich von der Unreinheit der Nationen abzusondern, um den Herrn zu suchen, die gleiche Sorgfalt entgegengebracht. Ist es erstaunlich, dass Freude die Herzen erfüllt, «denn der Herr hatte ihnen Freude gegeben»?

Das Passah war das Vorbild eines zukünftigen Werkes, des Opfers des Lammes Gottes. Für uns entspricht dies dem Abendmahl, dem Gedächtnis an ein vollbrachtes Werk. Obwohl es sich nicht um Gehorsam gegenüber einem Gebot handelt, sondern vielmehr um die Antwort des Herzens auf den letzten Wunsch des Herrn, den es liebt, bleibt es nicht weniger wahr, dass die Feier des Abendmahls nicht unserem eigenen Willen (wie ich denke … es scheint mir … ich nehme an, dass …) überlassen ist. Wir sind gerufen, uns in dieser Hinsicht nach den Belehrungen des Neuen Testaments zu richten.

Im Zusammenhang mit unserer Verantwortung hebt die Wüste zwei Punkte hervor:

  • Die praktische Reinheit, um am Passah, für uns am Abendmahl, teilzunehmen (Verse 6-12) und
  • die Unterlassung (Vers 13).

Die praktische Reinheit

Im ersten Monat, am 14. Tag des Monats, gab es Männer, die wegen einer Leiche unrein waren und das Passah nicht feiern konnten. Sie haben ihre Unreinheit nicht verheimlicht, indem sie sich sagten: Das ist die Wüste, lasst uns gleichwohl teilnehmen. Sie waren nicht gleichgültig im Blick auf ihren Fehler, sondern wünschten mit aufrichtigem Herzen, an der Gedächtnisfeier teilzuhaben. Was tun? Sie bekennen Mose ihren Zustand, ohne etwas zu verbergen (Vers 7) und legen ihm ihr Problem vor. Mose brüstet sich nicht damit, alles zu wissen; er schämt sich nicht, seine Unwissenheit zuzugeben und den Herrn zu befragen. Die Antwort der Gnade ist klar: «Wenn irgendjemand von euch … unrein ist … so soll er dem Herrn Passah feiern» (Vers 10). Ein solcher sollte durch die Übungen von Kapitel 19 gehen: die Reinigung durch das Wasser, das die Asche enthielt. Im zweiten Monat, am 14. Tag des Monats, würde er dann das Passah feiern können, und zwar nicht nur halb, sondern vollständig, mit dem Ungesäuerten und den bitteren Kräutern, nach allen seinen Satzungen.

Diese Unterweisung stimmt für uns, in Bezug auf das Abendmahl, mit 1. Korinther 11,28 überein. Wenn wir gefehlt haben, handelt es sich nicht darum, dass wir uns enthalten, sondern dass wir unseren Fehler einsehen, ihn bekennen und in der Gewissheit der Gnade, die aufgrund des Opfers Christi darauf antwortet, am Brot und Kelch teilhaben («… und so esse er»). Hüten wir uns, dass sich Fehltritte, die wir nicht bekannt haben, die die Gemeinschaft unterbrechen und die ganze Freude und das christliche Wachstum hemmen, nicht ansammeln. In dieser inneren Übung wird man besonders die Leiden Christi für die Sünde, die man soeben bekannt hat, vor Geist und Herzen haben. So wird man sich nicht vom Abendmahl enthalten, sondern mit einem umso tieferen Empfinden der Gnade daran teilnehmen.

Der Apostel warnt die Korinther, dass sie sich schuldig machten, wenn sie am Mahl des Herrn «in unwürdiger Weise» teilnähmen (1. Korinther 11,27). Was muss man darunter verstehen? Wie es scheint, zwei Dinge. Der 29. Vers vervollständigt den 27., indem er sagt: «Denn wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet.» Wenn wir das Abendmahl nehmen, ohne die Worte des Herrn zu verwirklichen: «Dies ist mein Leib … dies ist mein Blut» wenn wir daran teilnehmen wie an einem kirchlichen Brauch, aus Gewohnheit, oberflächlich, setzen wir uns dem Gericht des Herrn aus. Im Gegensatz dazu beginnt Vers 28 mit «jeder aber». Indem man sich selbst prüft, gelangt man dazu, seine Fehler und ihre Ursachen einzusehen.

Das wird uns zu einem tieferen Gefühl der Gnade Gottes führen. Man wird also nicht teilnehmen, «weil man sich würdig fühlt», sondern weil Er alles getan hat, um uns zu reinigen und uns in seine Gegenwart zu führen.

Die Unterlassung

«Der Mann aber, der rein und nicht auf dem Weg ist und es unterlässt, das Passah zu feiern … dieser Mann soll seine Sünde tragen» (Vers 13). Jedes Kind Gottes ist gerufen, am Mahl des Herrn teilzunehmen, wenn es in seinem Wandel oder in seinem sich Entfernen von Gott («auf dem Weg») kein wirkliches Hindernis gibt. Es ist wichtig zu verstehen, was man tut («ich rede als zu Verständigen»; 1. Korinther 10,15); man wird das Abendmahl nicht kleinen Kindern geben. In den anderen Fällen unterstreicht die Schrift den Ernst für ein Kind Gottes, das dem eingesetzten Gedächtnismahl, unserem Passah oder Mahl des Herrn, gegenüber gleichgültig bleibt. Hat der, der uns bittet: «Tut dies zu meinem Gedächtnis», nicht ein Recht auf unsere Zuneigungen? Man achtet den Herzenswunsch eines Sterbenden, wie viel mehr den letzten Wunsch des Herrn! Warum nimmt man nicht teil? Vielleicht aus Gleichgültigkeit; aus Furcht, nicht genügend rein zu sein (nur das Werk Christi bringt dies zustande); aus Angst, Ihn in unserem Wandel zu verunehren (die Gnade ist da für jeden Fehler, der erkannt und vor Ihm bekannt wird). Durch das Teilnehmen am Abendmahl bezeugt man die Niederlage Satans, man verkündigt den Tod des Herrn, man verbindet das Kreuz mit der nahen Wiederkunft des Herrn. Der Feind kann solches nicht ertragen und legt den Gläubigen alle erdenklichen Hindernisse in den Weg, um sie davon abzuhalten, sich an ihren Erlöser zu erinnern.

Es ist also sehr ernst, sich vom Gedächtnismahl des Herrn durch Gleichgültigkeit oder Gedankenlosigkeit zu enthalten, oder unter dem Vorwand, dass andere nicht wandelten wie sie sollten, oder selbst aus Furcht, sich der Zucht der Versammlung auszusetzen. Indessen kennt Gott die Umstände von jedem der Seinen. Er beurteilt nach seinem Massstab und in vollkommener Gnade und Barmherzigkeit alles, was das Herz und den Geist belasten kann. Jede Sache verlangt eine Übung vor Ihm und im Vertrauen zu Ihm. Nichts soll leichtfertig getan werden und am allerwenigsten die Teilnahme am Mahl des Herrn. Aber durch die Jahrhunderte ertönt immer noch die Stimme, die in der Nacht, in der Er überliefert wurde, sagte: «Nehmt, esst; trinkt alle daraus.»

Sogar «der Fremde» (4. Mose 9,14), der herzuzunahen wünschte, konnte es. An einer anderen Stelle sieht man, dass er vorher beschnitten werden (2. Mose 12,48), d.h. das Zeichen der Absonderung für Gott annehmen sollte: durch das Feiern des Passahs anerkannte er, wer der Herr war. Nichts von den göttlichen Vorschriften wurde weggelassen: Es gab nur eine Satzung «sowohl für den Fremden als auch für den Einheimischen des Landes». Die Hilfsquellen der Gnade sind unerschöpflich, aber niemals würden sie den Gedanken Gottes, offenbart in seinem Wort, abschwächen. Seine Arme öffnen sich indes, um jeden zu empfangen, der kommen will, sogar unter ein Volk, das so abgeschlossen und so wenig geneigt war, den Fremden aufzunehmen.

Unter Jehiskia hatten sich «viele von Ephraim und Manasse, Issaschar und Sebulon», die der Einladung, am Passah teilzunehmen, gefolgt waren, «nicht gereinigt» (2. Chronika 30,18). Eine Krankheit war die Folge, denn Gott bleibt heilig. «Doch Jehiskia bat für sie … und der Herr erhörte Jehiskia und heilte das Volk.» Die Fürbitte Christi kommt unserer Unwissenheit, unseren Schwachheiten, unseren Fehlern entgegen.

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