Grundsätzlich ist jedes Kind Gottes «des Tisches des Herrn teilhaftig», aber Voraussetzung ist, dass jemand nicht unter Gemeindezucht steht, dass sein Wandel und seine Verbindungen rein sind und dass er an keiner bösen Lehre festhält.
Auch die Taufe gibt keinen Zutritt zu diesem Vorrecht, obwohl niemand, der nicht getauft ist, daran teilnehmen sollte. Wenn man nicht einmal dem äusseren Bekenntnis nach ein Christ ist, wie will man dann an dem inneren Kreis der Gemeinschaft teilnehmen? Aber niemals dürfen wir die Taufe und die Teilnahme am Brotbrechen miteinander verbinden!
Es scheint, dass am Anfang des christlichen Zeugnisses die Gläubigen nicht hinsichtlich der Echtheit ihres Glaubens oder der Reinheit ihres Wandels geprüft werden mussten. Zu einer Zeit, wo alles noch frisch war, wo der Herr täglich zu der Versammlung hinzutat (Apostelgeschichte 2,47) und sich von den übrigen den Gläubigen keiner anzuschliessen wagte (Apostelgeschichte 5,13), war das auch nicht notwendig. Doch dieser Zustand der Frische und Unverdorbenheit hielt nicht lange an, und es wurde nötig, die zu prüfen, die in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden wünschten, und sich zu überzeugen, ob ihre Gesinnung und ihr geistlicher Zustand den Gedanken Gottes entsprach. Denn bald schon versuchte Simon, der Zauberer, sich unter die Gläubigen zu mischen (Apostelgeschichte 8,13.20.21).
Als Saulus von Tarsus nach seiner Bekehrung im Verlauf von drei Jahren nach Jerusalem kam und sich den Brüdern dort anschliessen wollte, fürchteten sie sich vor ihm, da sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. Das Zeugnis eines anderen war nötig, hier des von Barnabas, damit ihm der Zugang zu den Heiligen in Jerusalem gewährt wurde. Hier haben wir einen wichtigen Grundsatz zu lernen: Niemand kann nur aufgrund seiner eigenen Verantwortung und seines eigenen Zeugnisses in die Gemeinschaft aufgenommen werden.
Als Apollos, ein beredter Knecht Gottes, «der mächtig war in den Schriften», von Ephesus nach Achaja reisen wollte, wo er unbekannt war, benötigte er einen Empfehlungsbrief, und so «schrieben die Brüder den Jüngern und ermahnten sie, ihn aufzunehmen» (Apostelgeschichte 18,27). Man kann auch heute, ja vor allem heute, in einer Zeit allgemeiner Verwirrung auf geistlichem Gebiet, nur durch ein angemessenes Zeugnis anderer über die Echtheit seines Glaubens aufgenommen und empfohlen werden.
Hat jemand den Wunsch, zum Brotbrechen zugelassen zu werden, hat die örtliche Versammlung die Pflicht, ihn mit Sorgfalt und Liebe zu prüfen. So wie einst in der Zeit Nehemias Wächter die Tore Jerusalems bewachten (Nehemia 7,1-3), damit der Feind nicht eindrang, so müssen auch heute die «Ein- und Ausgänge» der Versammlung bewacht werden. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass niemand hineingebracht wird, der dort ein Fremdkörper ist, und dass niemand draussen gehalten wird, den der Herr drinnen haben will.
Das Bekenntnis von jemand kann nur anhand der Früchte auf seine Echtheit geprüft werden, das heisst aufgrund dessen, was jemand in seinem Leben von sich zeigt und was über seine Lippen kommt. Innere Beweggründe zu beurteilen, die nicht offenbar sind, ist nicht unsere Aufgabe. Was vor allem geprüft werden muss, ist, ob der Wandel und die Lehre in Ordnung sind, und ob jemand nicht in Verbindung mit moralisch oder lehrmässig Bösem steht. Zuallererst muss man allerdings zur Überzeugung gekommen sein, dass die betreffende Person von neuem geboren, also ein Kind Gottes ist. Auch ist ein gewisses geistliches Verständnis durchaus wünschenswert. Aber die Grösse des Verständnisses darf in keiner Weise der Massstab zur Zulassung sein. Dennoch redet der Apostel zu den Korinthern über den Tisch des Herrn «als zu Verständigen».
Wir dürfen nie meinen, es wäre «unser Tisch», wir könnten nach eigenem Ermessen und Gutdünken befinden, wer teilnehmen darf und wer nicht. Wer gäbe uns zum Beispiel das Recht, einen Gläubigen, der sich zum Brotbrechen gemeldet hat, erst ein oder zwei Jahre warten zu lassen um zu sehen, ob er sich bewährt? Bewährung ist eine wichtige Voraussetzung, wenn es um den öffentlichen Dienst geht, aber wenn es um die Zulassung zum Brotbrechen geht, dürfen wir uns nicht vom Gedanken der Bewährung leiten lassen. Gewiss sind dabei Sorgfalt, Umsicht und Besonnenheit notwendig.