(Johannes 15,1)
In Adam wurde alles verdorben, in Christus aber hat Gott alles wiederhergestellt. Als Mensch begann Christus von neuem die Geschichte des Menschen auf der Erde und eröffnete eine neue Haushaltung, die an die Stelle des Zeitalters des Gesetzes tritt. Ein neues Zeugnis – das christliche Zeugnis – ersetzt dasjenige Israels, das sich auf die Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft von Abraham und auf das durch Mose gegebene Gesetz stützte.
Christus, der wahre Weinstock, nimmt auf der Erde den Platz Israels ein, des Weinstocks, den der Herr aus Ägypten gezogen hat (Psalm 80,9; Hosea 11,1). «Ich bin der wahre Weinstock», sagt Er, «und mein Vater ist der Weingärtner … Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben» (Johannes 15,1.5). Alle, die zum christlichen Bekenntnis gehören, sind Reben des wahren Weinstockes. Aber darunter gibt es Reben, die nur der Form nach mit Ihm verbunden sind. Sie haben nur das Bekenntnis, aber kein Leben, so dass sie keine Frucht zu bringen vermögen. Sie «bleiben» nicht in Christus und werden das Gericht erleiden, das in den Versen 2 und 6 von Johannes 15 beschrieben ist. Im Gegensatz dazu bringen die, die mit dem Weinstock in lebendiger Verbindung stehen, Frucht und der Vater «reinigt» sie, damit sie mehr Frucht, viel Frucht bringen.
Christus, der wahre Weinstock, ist also die Quelle der Frucht, dieser «Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes» (Philipper 1,11). Aber es sind die Reben, die die Frucht tragen, sofern sie einen zum Weinstock gehörenden Teil bilden. Sie könnten auf keinen Fall selbst Frucht bringen. «Ausser mir könnt ihr nichts tun.» Sie müssen den Saft empfangen, der aus dem Weinstock kommt. Das blosse Bekenntnis ist nichts wert; sich nur Christ nennen, gibt nicht das ewige Leben. Aber wenn die Rebe in Lebensverbindung mit Christus steht, dem wahren Weinstock, gibt sie Frucht, so schwach und unwissend die Rebe auch sein mag. Dann wird der Vater, der Weingärtner, durch seine Züchtigung in Gnade dazwischentreten, um die Rebe dazu zu bringen, immer mehr Frucht zu tragen. «Unsere Väter nach dem Fleisch … züchtigten uns … nach ihrem Gutdünken … Er aber zum Nutzen, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.» Die Züchtigung bringt «die friedsame Frucht der Gerechtigkeit» hervor (Hebräer 12,9-11).
Das Leben zeigt sich durch Frucht. Aber, sagt der Herr Jesus, «wie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt» (Vers 4). In Christus bleiben heisst, mit Ihm verbunden bleiben, wie die Rebe vom Weinstock abhängt und mit ihm eine einzige Pflanze bildet. Es bedeutet, eine Gemeinschaft mit Christus zu geniessen, die so dauernd und so wirklich ist, dass alle unsere Gedanken, unsere Worte und unsere Handlungen Ausdruck seines Willens sind, so dass keine Handlung der Unabhängigkeit den Zufluss des Saftes in die Rebe unterbrechen kann. Es braucht wenig, dass eine Pflanze welkt. So wird auch das geringste Hindernis zwischen Christus und uns unser geistliches Wachstum aufhalten und uns zur Unfruchtbarkeit verurteilen.
In Christus bleiben heisst auch, sich von Ihm nähren, sich mit Ihm beschäftigen, die Hilfsquellen gebrauchen, die Er zu unserer Verfügung stellt – besonders das Wort und das Gebet – damit wir in der Erkenntnis seiner Person wachsen; es bedeutet von seinem Leben leben und in seinen Fussspuren wandeln. Dann wird Er in uns gesehen werden, denn die Frucht der Rebe ist nichts anderes als die des Weinstocks: Diese Frucht wird wie ein Widerschein der Vollkommenheiten sein, die Christus zur Verherrlichung seines Vaters hier auf der Erde offenbart hat. Niemand kann in Gemeinschaft mit Christus leben, ohne auch Christus zu gleichen: Gehorsam, Abhängigkeit, Sanftmut, Güte, Demut, Geduld, Langmut, Barmherzigkeit, Liebe, Heiligkeit, werden die Früchte im Leben des Gläubigen sein, der in Christus bleibt. Es kann nicht anders sein.
Aber dies ist niemals das Ergebnis unserer eigenen Anstrengungen. Wie jemand geschrieben hat: Nicht durch unaufhörliche Anstrengung, Licht und Sonne zu empfangen, bringt die Rebe Frucht. Nur indem sie mit dem Weinstock verbunden bleibt, in einer stillen und friedvollen Verbindung, werden Blüten und Früchte erscheinen, wie durch ein freies Wachstum. So genügt es auch, dass der Gläubige sich völlig dem Herrn hingibt, seine Blicke, Gedanken und Zuneigungen auf Ihn richtet, um seine Gnade zu erlangen. Bleiben wir also in Ihm, im Genuss unserer Verbindung mit Ihm. Sein Leben, das unser Leben ist, wird uns dann ganz durchdringen, wie der Saft vom Weinstock bis zu den äussersten Enden der Rebe fliesst. Das Leben des einen ist das Leben des anderen, so sehr, dass man diese beiden Leben nicht mehr unterscheiden kann. Der Herr hat nicht gesagt: «Bleibt bei mir», sondern: «Bleibt in mir.» Er will, dass wir an seinem Leben völlig teilhaben. Er gibt und nährt uns von seinem Saft, wie der Weinstock es mit den Reben tut. Von Ihm allein ist unser Wachstum abhängig, wie auch unsere Frucht. Diese Wirklichkeit im Glauben ergreifen, befähigt uns, Frucht, mehr Frucht, viel Frucht, bleibende Frucht zu tragen.
Das Wichtigste ist also nicht, uns zur Tätigkeit anzustrengen, sondern in Christus zu bleiben.
Mit Ihm persönlich haben wir es zu tun. Ihn haben wir nötig. Er selbst lädt uns ein, nicht nur von den Gnaden Gebrauch zu machen, die Er uns mitteilen will, sondern Ihn, Ihn selbst anzunehmen. «Kommt zu mir.» «Bleibt in mir.» «Lernt von mir.» Damit sagt Er uns: «Euer Herz sei mit mir beschäftigt. Nährt euch von mir. Lasst uns, du und ich, nicht mehr zwei, sondern eins sein.»
So werden wir Frucht tragen, der Vater wird verherrlicht und wir selbst werden wahre Jünger Christi sein.
Aus «Ich bin …» von Marc Tapernoux, Beröa-Verlag, 1979